Stuttgarter Kickers - DSC Arminia Bielefeld 2:1

Im Kellerduell bei den Stuttgarter Kickers kassierte Arminia Bielefeld eine bittere 1:2-Niederlage und rutschte damit zum ersten Mal in der laufenden Saison auf einen Abstiegsplatz in der zweiten Fußball-Bundesliga ab. Das Spiel, das im Vorfeld zum "Entscheidungsspiel" oder "Abstiegsendspiel" hochstilisiert worden war, entschieden die technisch unterlegenen Stuttgarter durch Kampfgeist und Einsatzwillen zu ihren Gunsten. Während die Kickers schnörkellos, aber geradlinig spielten, wirkte das Spiel der Bielefelder oftmals viel zu umständlich. Da die Gäste außerdem zu oft die Zweikämpfe verloren oder gar nicht erst annahmen, blieb Arminias Spiel über weite Strecken ineffektiv. Hinzu kamen viele individuelle Fehler, insbesondere im Abwehrbereich, die immer wieder zu gefährlichen Situationen führten.

Das Spiel fand vor einer für die Verhältnisse der Kickers sehr großen Kulisse von etwa 7.500 Zuschauern statt. Im Vorfeld der Partie hatten zahlreiche lokale Prominente um Unterstützung für den Verein geworben, zudem wurden in den Tagen vor dem Spiel in der Stuttgarter Fußgängerzone Freikarten verteilt. Da außerdem etwa 300 Sympathisanten der Bielefelder Arminia den Weg in den Gästeblock gefunden hatten (abzüglich einiger einheimischer Gelegenheits-Besucher, die sich im Block geirrt hatten), durften sich die Kickers über einen ungewohnten Zuschauerzuspruch freuen.

Die einheimischen Zuschauer sollten ihr Kommen nicht bereuen. Bereits in der zweiten Spielminute fiel der Führungstreffer für die Gastgeber, die dabei davon profitierten, daß sich die Bielefelder Hintermannschaft offenbar noch komplett im Tiefschlaf befand. Nach einem Einwurf von der rechten Angriffsseite, der im Strafraum vom Stuttgarter Blessin per Kopf verlängert wurde, standen plötzlich gleich zwei Stuttgarter im Strafraum völlig frei. Der zwischen ihnen postierte Bielefelder Massimiliano Porcello konzentrierte sich auf den vor ihm stehenden Zimmermann und übersah den in seinem Rücken heranstürmenden Michael Kümmerle, der keine Mühe hatte, aus fünf Metern Torentfernung den Ball mit dem linken Fuß in die linke obere Torecke zu befördern. Bielefelds Torwart Mathias Hain hatte bei diesem Treffer keine Abwehrchance.

In der Folgezeit beschränkten sich die Stuttgarter darauf, den Gegner kommen zu lassen, aus einer sicheren Abwehr heraus zu kontern und dabei immer wieder mit hohen und weiten Bällen nach vorne in die Spitze zu spielen. Durch diese Taktik kam es zu einer ungewöhnlich großen Anzahl von Kopfballduellen. Durch ihr aggressives Zweikampfverhalten störten die Kickers die Gäste meistens bereits, bevor diese auch nur ansatzweise in die Position für einen erfolgversprechenden Torschuß kamen. Und selbst wenn ein Bielefelder einmal zum Schuß kam, wurde dieser in der Regel bereits von einem Abwehrspieler abgeblockt. Auf der anderen Seite kamen die Stuttgarter, begünstigt durch Unsicherheiten in der Bielefelder Abwehr, zu einigen Torchancen. Bis auf einen Schuß aus der zweiten Reihe, den Mathias Hain mit etwas Mühe parieren und zur Ecke ablenken konnte, entstand jedoch keine wirkliche Gefahr vor dem Bielefelder Tor.

Mit zunehmender Spieldauer erspielten sich die Bielefelder dennoch eine leichte optische Überlegenheit, die dann auch gleich belohnt wurde: In der 26. Minute erzielte der Pole Artur Wichniarek nach einer Vorlage von Bastian Reinhardt den etwas überraschenden Ausgleich. Kurz darauf wurde ein weiterer Bielefelder Treffer nach einem Konter wegen einer umstrittenen Abseitsposition vom Schiedsrichter nicht anerkannt. Bis zur Pause wirkten die Kickers zunehmend verunsichert, und Arminia diktierte das Spiel. Trotz mehrerer guter Torchancen sprang jedoch kein weiterer Treffer mehr dabei heraus. Statt dessen mußte Arminias Torwart Mathias Hain kurz vor der Pause noch einmal eingreifen und einen angeschnittenen Freistoß mit den Fingerspitzen über die Latte lenken.

Nach der Pause bot sich das gleiche Bild wie zu Beginn der ersten Halbzeit: Die Bielefelder waren gedanklich noch nicht wieder so richtig auf dem Platz, als bereits in der 49. Minute der erneute Führungstreffer für die Gastgeber fiel. Dem Treffer ging ein katastrophaler Ballverlust von Marcio Borges voraus, der an diesem warmen Sonntagnachmittag durch eine Reihe von Fehlpässen und verlorenen Zweikämpfen auffiel. Stuttgarts Alexander Blessin bedankte sich für den ihm vor die Füße gespielten Ball mit einem schönen Zuspiel auf Zimmermann, der mit einem Schuß aus der Drehung aus sieben Metern Arminias Torwart Mathias Hain überwand.

Die Gäste aus Bielefeld spielten nach dem Rückstand zunächst offensiv und drängten auf den Ausgleich. Allerdings scheiterte ein Bielefelder Angriff nach dem anderen an der massiven Stuttgarter Deckung. Torschüsse waren kaum zu verzeichnen, und die wenigen Kopfbälle, die die Arminen in Richtung Tor zu bringen vermochten, gerieten aufgrund der Bedrängnis durch die Stuttgarter Abwehrspieler zu unplaziert und dadurch harmlos. Die einzige Ausnahme bildete ein Kopfball von Bruno Labbadia, der nach einer Ecke in der 66. Minute aus sechs Metern nur das Lattenkreuz traf.

Mit zunehmender Spieldauer verebbte jedoch der Angriffsschwung der Bielefelder, denen gegen die defensivstarken und kämpferischen Stuttgarter zusehends die Ideen ausgingen. Angriffe endeten meistens bereits vor dem Sechzehnmeterraum, und wenn einmal ein paar Bielefelder mit Ball in den Strafraum einzudringen vermochten, so sahen sie sich dort zumeist einer zwei- bis dreifachen Übermacht an Stuttgartern gegenüber. Gefahr entstand so nur noch durch Fernschüsse, die aber nur noch selten versucht wurden.

Statt dessen hatten die Gastgeber, die nun zusehends das Heft in die Hand nahmen, auf der anderen Seite mehrfach die Gelegenheit, ihre Führung auszubauen. So traf in der 73. Minute der freistehende Marell am Strafraum den Ball nicht richtig, so daß sein Schuß sich in einer flachen, bogenförmigen Flugbahn direkt in die Arme von Mathias Hain senkte. Kurz vor Schluß tauchte dann plötzlich Markus Weinzierl vollkommen frei vor dem Bielefelder Torwart auf, vergab jedoch diese Riesenchance aus wenigen Metern kläglich. So blieb es bis zum Spielende beim 2:1-Heimsieg der Kickers, der aufgrund der besseren kämpferischen Leistung durchaus verdient war. Bei Arminia Bielefeld dagegen hatte man über weite Strecken den Eindruck, daß die Einstellung der Spieler zu wünschen übrig ließ und offenbar die Gefahr des drohenden Abstieges noch nicht richtig erkannt wurde.

Zwanzig Minuten vor Schluß der Partie entrollten die mitgereisten Bielefelder Fans im Gästeblock ein großes Plakat mit der Aufschrift: "Vorstand raus!" Dem Vorstand des Vereins wird allgemein die Schuld für die sportliche Talfahrt angelastet, weil er zuerst der beispiellosen Niederlagenserie in der Bundesliga-Saison 1999/2000 tatenlos zusah, dann an Trainer Hermann Gerland auch nach dem Abstieg noch festhielt und ihn die Mannschaft für die Zweitligasaison zusammenstellen ließ. Gerlands Nachfolger Benno Möhlmann machte keinen Hehl daraus, daß er das Team für "für die zweite Liga völlig falsch zusammengestellt" hielt. Nach dem Abgang von Hermann Gerland richtete sich der Zorn der Fans gegen die verbliebenen Verantwortlichen, in Person des Managers Heribert Bruchhagen und der Mitglieder des Vereinsvorstandes.

Nach der Niederlage im so wichtigen Spiel in Stuttgart und dem damit verbundenen Abrutschen auf einen Abstiegsplatz machten die Fans ihrem Unmut mit einer dreiviertelstündigen Sitzblockade am Mannschaftsbus Luft, die zwar lautstark, aber äußerst friedfertig verlief. Da der Bus die Mannschaft wegen der Blockade nicht am Stadiontor abholen konnte, mußten sich die Spieler zu Fuß ihren Weg durch die Fans bahnen und sich Sprechchöre wie "Wir haben die Schnauze voll" und "Wir sind Arminen und Ihr nicht" anhören. Nach einiger Zeit versuchte Manager Heribert Bruchhagen, die Fans zu beruhigen, indem er auf sie einredete und Durchhalteparolen ausgab. Die Phrase "Wir brauchen bis Donnerstag die Chance der Ruhe" wird den Anwesenden vermutlich noch einige Zeit in Erinnerung bleiben.

Nachdem Bruchhagen eingesehen hatte, daß sich die Fans diesmal nicht durch leeres Gerede beruhigen lassen würden, und das Weite gesucht hatte, trat Trainer Benno Möhlmann mit einem von der Stuttgarter Polizei geliehenen Megaphon unter die Fans. Zwar hatte er leichte Probleme, dieses Gerät zu bedienen, erreichte jedoch schließlich sein Ziel, sich Gehör zu verschaffen. Die ganze Szenerie wirkte sehr skurril, da Möhlmann mit dem Megaphon teilweise auf Fans einredete, die weniger als einen Meter vor ihm standen. Arminias Trainer gab unumwunden zu, daß die Mannschaft an diesem Tag "Scheiße" gespielt hatte, appellierte jedoch an die Fans, jetzt nicht sechs Spieltage vor Saisonschluß mitten im Abstiegskampf das Team kaputt zu machen. Bereits am nächsten Tag äußerte sich Möhlmann jedoch überraschend positiv über die Sitzblockade der Fans, da dieser Protest den Spielern gezeigt habe, wie sehr die Fans am Verein hängen und was der drohende Abstieg für sie bedeutet.

Nachdem die Mannschaft sich in den Bus zurückgezogen hatte und dieser abfahrtsbereit war, sorgte die berittene Stuttgarter Polizei vollkommen unverständlicherweise für eine Eskalation der bis dahin friedlichen Situation. Um den Weg für die Abfahrt des Busses freizuräumen, preschten die berittenen Polizisten mit ihren Pferden ohne Rücksicht auf Leib und Leben der friedlichen Bielefelder Fans mitten in die Menge und trieben die Blockade damit gewaltsam auseinander. Wie durch ein Wunder wurde dabei niemand verletzt. Dieses traurige Ende einer bis dahin gewaltlosen Demonstration wirft leider wieder einmal die Frage auf, warum es beim Umgang mit Fußball-Fans immer wieder die örtliche Polizei ist, die mit dem Einsatz von unprovozierter Gewalt für die unnötige Eskalation friedlicher Situationen sorgt. Anscheinend gelten auswärtige Fans überall als Freiwild, an dem sich frustrierte Beamte abreagieren können. Die Forderung nach speziellen psychologischen Schulungen für die an derartigen Einsätzen beteiligten Polizisten erscheint angesichts dieser Zustände mehr als angemessen.

Mannschaftsaufstellungen:

Stuttgarter Kickers: Klaus, Keuler (40. Maric), Heberle, Weinzierl, Kritzer, Marell, Minkwitz, Kümmerle, Fiel (72. Raspe), Blessin (64. Carnevale), Zimmermann.

Arminia Bielefeld: Hain, Reinhardt, Friedrich (81. Gansauge), Borges, Hofschneider (72. Flock), Dammeier, Porcello, Weissenberger, van der Ven (68. Wück), Wichniarek, Labbadia.

Schiedsrichter:

Michael Weiner (Hildesheim)

Tore:

1:0 Kümmerle (2.), 1:1 Wichniarek (26.), 2:1 Zimmermann (49.)

Zuschauer:

7.580